Gedanken aus dem Pfarrbüro Advent 20/Januar 21
24. Dezember 2020
Liebe Leserin, lieber Leser,
Kürzlich war ich frühmorgens spazieren, während mein Auto zwei paar Winterschuhe montiert bekam.
Der dicke Nebel hüllt alles in Watte und verschluckt die meisten Ge-räusche. Zum ersten Mal in diesem beginnenden Winter habe ich den Eindruck, dass die Adventszeit langsam naht, und so höre ich mir während dem Spaziergang das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach an…
«Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage,
rühmet, was heute der Höchste getan! Lasset das Zagen, verbannet die Klage, stimmet voll Jauchzen und Fröhlichkeit an!»
Ein wunderschönes Werk, das ich mir gerne zur Einstimmung in die Advents- und Weihnachtszeit anhöre.
Es ist noch etwas dämmrig und so richtig kalt. Das Industriegebiet, durch welches mich meine Schritte führen, lädt eigentlich nicht wirklich zum spazieren ein. Die Worte und Klänge, die ich höre, passen nicht wirklich zu der Landschaft, die ich sehe. Dafür passen meine Gedanken umso mehr zur tristen Umgebung.
Jauchzen… frohlocken… preisen… nein, dazu bin ich gerade nicht in der Stimmung.
Ich denke an Menschen in unseren Gemeinden, denen es gesundheitlich nicht gut geht und die schon länger oder auch erst seit kurzem mit körperlichen Leiden zu kämpfen haben. Ich denke an Gespräche, viele davon am Telefon, wenige physisch, die ich in den letzten Wochen geführt habe. Die meisten Gesprächspart-nerInnen äusserten eine gewisse… Müdigkeit… angesichts der be-sonderen Lage, in der wir seit Wochen, nein Monaten, sind. Am Tragen der Maske scheint es nur selten zu liegen, daran kann man sich gewöhnen, solange sie jeweils nur für die Zeit des Einkaufs oder des Gottesdienstes aufgesetzt werden muss. Aber das Abstandhalten, die Reduzierung der physischen Kontakte, die sehr reduzierte Gemeinschaft… das setzt zu.
Ich gehe langsam meinem Ziel und damit dem Ende der grossen Runde durch das Industriegebiet entgegen.
«Wie soll ich dich empfangen und wie begegn’ ich dir?
O aller Welt Verlangen, o meiner Seelen Zier!»
Meine umherschweifenden Gedanken gehen Richtung Weihnachtsgottesdienst. Wie… ja, wie wird ein Weihnachtsgottesdienst sein, wenn nicht als ganze Gemeinde gesungen werden kann? Geht das überhaupt? Eigentlich möchte ich mir dies nicht vorstellen, bin mir aber gleichzeitig bewusst, dass es wohl so sein wird.
Zurück am Schreibtisch im Büro zünde ich, zusätzlich zur Schreibtischlampe, meine Kerze an. Es soll licht werden, licht und warm – nicht nur um die neblige Stimmung, sondern auch meine Gedanken etwas aufzuhellen.
Das sanfte Licht der Kerze flackert und mein Blick fällt auf die Worte der Jahreslosung, welche von innen her von der Flamme erleuchtet werden. «Ich glaube; hilf meinem Unglauben!» Ja, wir glauben, wir vertrauen, wir hoffen! Und doch kann uns das manchmal schwer fallen, gerade in dieser ‘besonderen Lage’. Wir sind angewiesen auf Hilfe, auf Unterstützung, damit unsere Gedanken nicht im Karussell verbleiben und die Hoffnung auf Besserung nicht mehr und mehr schwindet.
Ich blättere durch die Psalmen. Mir fällt wieder einmal auf, wie viele Klagepsalmen es gibt, die sich in ehrlichen Worten an Gott richten und ihr Leid klagen. Ich staune einmal mehr darüber, dass sich der Ton am Ende so eines Liedes stetig ändert. Aus Klage wird auf einmal Lob und Dank. Wie ist so etwas möglich?
Ich gelange zum Buch Jesaja und meine blätternden Finger halten bei Kapitel 9 ein. «Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein grosses Licht… Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns verheissen, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter».
So ist es möglich, so ist es verständlich! Da wartet und hofft ein Volk, hofft auf Rettung, auf Erlösung aus der Trübsal, und die Hoffnungen werden tatsächlich erfüllt. Wohl anders als erwartet aber deswegen nicht schlechter.
Weihnachten… die Geburt Jesu… und mitten über den Hirten, da wo ge-bangt und gehofft wurde, da erschallt nun der Jubelgesang der Engel!
«Dein Glanz all Finsternis verzehrt, die trübe Nacht in Licht verkehrt. Leit uns auf deinen Wegen, daß dein Gesicht und herrlichs Licht wir ewig schauen mögen!» Im Hintergrund ertönt der freudvolle Choral, wie ein Schlusssatz über meinen nun lichteren und leichteren Gedanken.
Eine lichtvolle Advents- und Weihnachtszeit wünscht
Markus Allenbach