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Gedanken aus dem Pfarrbüro Sept-Nov 2022

7. September 2022

Liebe Leserin, lieber Leser,
im Gegensatz zum letzten Jahr dürfen wir einen sehr sonnigen Sommer geniessen, mit allem was dazu gehört – Sonnenbaden, ausgiebige Spaziergänge oder Wanderungen, Velotouren, kühle Getränke, ein feines Glace oder den Sprung ins kalte Nass. Abends können wir lange draussen sitzen und die warmen Nächte laden zu einer Übernachtung im Garten oder dem Balkon ein. Obwohl schon mehrfach vorgenommen, konnte ich es noch nicht umsetzen aber wer weiss, vielleicht kommt das ja noch…

Dieses heisse und trockene Wetter erinnert mich an meine Zeit auf der Via Francigena, dem Pilgerweg nach Rom. Vor zehn Jahren ging ich rund 340 km zu Fuss ab Lausanne bis Vercelli. In den ersten 1.5 Wochen mussten zwar viele Höhenmeter überwunden werden (Grosser St. Bernhard), dafür waren die Temperaturen sehr angenehm. Spätestens ab Aosta änderte sich dies aber schlagartig. Bei heissen 43 Grad wanderte ich einsam durch das trockene, heisse Aostatal und danach durch Reisfelder im Piemont.
Ich kann mich gut an einen dieser heissen und trockenen Tage erinnern. Die drei Liter Wasser, die ich mit mir getragen hatte, waren schon lange aufgebraucht. Weit und breit waren nur Reisfelder und keine Häuser. Und bis zur nächsten «Wassertankstelle» schien es noch weit zu gehen. Ich fühlte mich zunehmends wie ein harter, ausgetrockneter Schwamm, mit dem nichts mehr anzufangen ist.

Während die Sonne vom Himmel brannte und nirgends Wasser zu sehen war, da konnte ich den Vergleich des Psalmschreibers David gut verstehen. Er vergleicht in Psalm 63 seinen Wunsch nach der Gegenwart oder dem Segen Gottes mit einem Menschen, der in «trockenem, dürrem Land, wo kein Wasser ist» am verdursten ist und sich nach dem Lebenselixier Wasser sehnt. Denn: ohne Wasser, kein Leben. Mir scheint, dass uns dies im Moment nochmals ganz neu bewusst wird.

Die Schweiz, konkreter die Gotthardregion, gilt als Wasserschloss Europas. Unzählige Bäche, Flüsse und Seen prägen das Bild unseres Landes. Ein Bild, das sich in den letzten Wochen zunehmend verändert hat. Die Bach- und Flussbetten sind gut sichtbar, doch mancherorts trocken oder mit deutlich weniger Wasser. Diesen Mangel mag auch der wenige Regen, der Mitte August fiel, nicht auszugleichen. Dazu müsste es über mehrere Wochen regnen. Uns bleibt im Moment zu hoffen und zu beten, dass dies bald geschehen darf – und dass es nicht ins andere Extrem kippt.

Als ich einem trockenen Schwamm gleich durch die Reisfelder zog, da fiel mir ein Lied ein, das ich dann längere Zeit leise vor mich her sang: «Ströme lebendigen Wassers» von Albert Frey. Was war da wohl die Wurzel dieses Gedankens? Mein Wunsch nach Trinkwasser oder vielleicht doch der Wunsch nach Gottes Mitgehen auf steinigen und staubigen Strassen?

Ja, Ströme lebendigen Wassers (heute würden wir sagen frisches Quellwasser) können wir alle brauchen – Wasser, das aus der Quelle sprudelt, übersprudelt, unaufhörlich, reichlich, lebenspendend. So dass aus braunen trockenen Böden, wieder saftiges Grün spriessen darf.
Mit den Strömen lebendigen Wassers ist aber nicht nur Quellwasser gemeint. Es bezieht sich auch auf die Ausgiessung des Heiligen Geistes, auf die Gegenwart Gottes in uns, die im Alten und Neuen Testament immer wieder auch mit lebendigem – lebensspendenden – Wasser in Verbindung gebracht oder damit beschriebe und verglichen wird.

Ich verstehe dies als Wunsch, Hoffnung, Verheissung, dass Gottes, von Jesus Christus ausgehendes, erneuerndes Handeln, im Menschen Einzug hält. Uns selbst erneuert, verändert, auf Gott und die Menschen hin öffnet, so dass auch wir zu Strömen werden können, die Leben erhalten und fördern – auf dass die Welt verändert werde.

Herzliche Grüsse
Markus Allenbach